Leibwächter sind ausgebucht
Die Chefetage des Versicherungskonzerns AIG ist in den USA zum "Volksfeind Nummer eins" geworden. Dass AIG nur dank Milliarden an Steuergeld überleben kann und die Manager trotzdem um ihre Bonuszahlungen kämpfen, hat sie zum symbolhaften Hassobjekt gemacht.
Dass nun nach und nach doch einige Manager auf ihre Boni verzichten wollen, hat wohl weniger mit Einsicht zu tun als vielmehr mit schierer Angst: Die Rachegelüste des "kleinen Mannes" nehmen langsam die Form von Menschenjagd an.
Internes Memo mit Warnung
Ein aktuelles internes AIG-Memo spricht Bände: "Tragen Sie keine Kleidung mit den AIG-Insignien. Vermeiden Sie es, nachts allein unterwegs zu sein, und parken Sie Ihren Wagen immer in gut beleuchteten Straßen", zitiert das US-Nachrichtenmagazin "Newsweek" daraus.
Bereits seit Wochen häufen sich anonyme Morddrohungen bei AIG. Auch Bustouren, die aufgebrachte Bürger direkt vor die luxuriösen Wohnhäuser der Manager bringen, werden organisiert. Die Polizei hat die Bewachung der Luxuswohngegenden verstärkt.
Security-Firmen als Profiteure
Über die Entwicklung freuen können sich höchstens Security-Firmen: Nicht nur bei der AIG-Finanzzentrale im Bundesstaat Connecticut, sondern auch in New York läuft ihr Geschäft blendend: Leibwächter sind derzeit ausgebucht, Trupps mit Sprengstoffspürhunden ebenso.
Als besondere Gefahr sehen Sicherheitsfirmen dabei auch frühere Mitarbeiter, die ihren Job verloren haben. Sie könnten im Schatten der allgemeinen Empörung - und noch dazu mit Insiderwissen ausgestattet - Rache an ihren früheren Chefs nehmen, vermuten sie.
Hass als gutes Geschäft
Auch andere versuchen, aus dem kollektiven Zorn Kapital zu schlagen. Im Internet finden sich etwa bereits Spiele, bei denen man die AIG-Zentrale mit virtuellen Paradeisern bewerfen kann. Wieder andere versuchen, T-Shirts mit AIG-Hassparolen an den Mann zu bringen.
US-Präsident Barack Obama sieht sich inzwischen bereits zu kalmierenden Aussagen gezwungen. Gerade in krisenhaften Zeiten sei Zorn ein schlechter Berater, appellierte er am Dienstag an die Bevölkerung. Dabei hatte gerade Obama selbst zuvor den Zorn auf AIG angestachelt.
Politiker machen es vor
Wiederholte Äußerungen des Präsidenten darüber, dass er selbst "zornig" über die "unmoralischen" Manager sei und man in dem Fall auch jedes "Recht auf Zorn" habe, waren von vielen als Erlaubnis zur Mobilmachung gegen die AIG-Manager verstanden worden.
Auch die US-Parlamentarier nahmen das Auftauchen eines würdigen Sündenbocks als willkommenen Anlass dafür, den Zorn der Bevölkerung kanalisieren zu können. Im Kongress wurde etwa die Veröffentlichung der vollen Namen aller Betroffenen gefordert.
AIG-Chef kommt unschuldig zum Handkuss
AIG-Chef Edward Liddy musste die medienwirksam inszenierte Empörung der Abgeordneten ausbaden, obwohl er dort erst nach dem Bilanzdebakel des Konzerns das Ruder übernommen hatte. Exemplarisch verlief etwa ein Wortwechsel zwischen Liddy und dem demokratischen Abgeordneten Stephen Lynch.
"Das gebührt Ihnen"
Lynch warf Liddy minutenlang mit Formulierungen wie "Sie haben ...", "Sie waren ..." persönlich alle vergangenen Verfehlungen bei AIG vor. Liddy erwiderte höflich, er sei damals noch nicht bei AIG gewesen und deshalb von den "Sie"-Formulierungen "verletzt".
Lynch unterbrach den AIG-Chef daraufhin mitten im Satz und vor laufenden TV-Kameras mit den Worten: "Dann sage ich Ihnen etwas: Ich wollte Sie auch verletzen, denn genau das gebührt Ihnen." Liddy selbst arbeitet bei AIG für den symbolischen Gehalt von einem Dollar pro Jahr.
Kehrtwende aus Eigeninteresse
Dass die US-Regierung mittlerweile gegensteuert, beruht wohl nicht auf Einsicht oder Sorge um die Manager und deren Familien. Vielmehr passt es dem Weißen Haus seit Montag besser in den Kram, wenn die Finanzbranche nicht in allzu schlechtem Licht dasteht.
Die neuen Pläne zur Rettung der US-Finanzbranche können nur funktionieren, wenn sich private Investoren finden, die die angeschlagenen Konzerne aus dem Dreck ziehen. Selbst wohlmeinende Kommentatoren sprechen schon von einer "peinlichen Pirouette" Obamas.
orf,
http://orf.at/090325-36520/?href=http%3A%2F%2Forf.at%2F090325-36520%2F36479txt_story.html
Dass nun nach und nach doch einige Manager auf ihre Boni verzichten wollen, hat wohl weniger mit Einsicht zu tun als vielmehr mit schierer Angst: Die Rachegelüste des "kleinen Mannes" nehmen langsam die Form von Menschenjagd an.
Internes Memo mit Warnung
Ein aktuelles internes AIG-Memo spricht Bände: "Tragen Sie keine Kleidung mit den AIG-Insignien. Vermeiden Sie es, nachts allein unterwegs zu sein, und parken Sie Ihren Wagen immer in gut beleuchteten Straßen", zitiert das US-Nachrichtenmagazin "Newsweek" daraus.
Bereits seit Wochen häufen sich anonyme Morddrohungen bei AIG. Auch Bustouren, die aufgebrachte Bürger direkt vor die luxuriösen Wohnhäuser der Manager bringen, werden organisiert. Die Polizei hat die Bewachung der Luxuswohngegenden verstärkt.
Security-Firmen als Profiteure
Über die Entwicklung freuen können sich höchstens Security-Firmen: Nicht nur bei der AIG-Finanzzentrale im Bundesstaat Connecticut, sondern auch in New York läuft ihr Geschäft blendend: Leibwächter sind derzeit ausgebucht, Trupps mit Sprengstoffspürhunden ebenso.
Als besondere Gefahr sehen Sicherheitsfirmen dabei auch frühere Mitarbeiter, die ihren Job verloren haben. Sie könnten im Schatten der allgemeinen Empörung - und noch dazu mit Insiderwissen ausgestattet - Rache an ihren früheren Chefs nehmen, vermuten sie.
Hass als gutes Geschäft
Auch andere versuchen, aus dem kollektiven Zorn Kapital zu schlagen. Im Internet finden sich etwa bereits Spiele, bei denen man die AIG-Zentrale mit virtuellen Paradeisern bewerfen kann. Wieder andere versuchen, T-Shirts mit AIG-Hassparolen an den Mann zu bringen.
US-Präsident Barack Obama sieht sich inzwischen bereits zu kalmierenden Aussagen gezwungen. Gerade in krisenhaften Zeiten sei Zorn ein schlechter Berater, appellierte er am Dienstag an die Bevölkerung. Dabei hatte gerade Obama selbst zuvor den Zorn auf AIG angestachelt.
Politiker machen es vor
Wiederholte Äußerungen des Präsidenten darüber, dass er selbst "zornig" über die "unmoralischen" Manager sei und man in dem Fall auch jedes "Recht auf Zorn" habe, waren von vielen als Erlaubnis zur Mobilmachung gegen die AIG-Manager verstanden worden.
Auch die US-Parlamentarier nahmen das Auftauchen eines würdigen Sündenbocks als willkommenen Anlass dafür, den Zorn der Bevölkerung kanalisieren zu können. Im Kongress wurde etwa die Veröffentlichung der vollen Namen aller Betroffenen gefordert.
AIG-Chef kommt unschuldig zum Handkuss
AIG-Chef Edward Liddy musste die medienwirksam inszenierte Empörung der Abgeordneten ausbaden, obwohl er dort erst nach dem Bilanzdebakel des Konzerns das Ruder übernommen hatte. Exemplarisch verlief etwa ein Wortwechsel zwischen Liddy und dem demokratischen Abgeordneten Stephen Lynch.
"Das gebührt Ihnen"
Lynch warf Liddy minutenlang mit Formulierungen wie "Sie haben ...", "Sie waren ..." persönlich alle vergangenen Verfehlungen bei AIG vor. Liddy erwiderte höflich, er sei damals noch nicht bei AIG gewesen und deshalb von den "Sie"-Formulierungen "verletzt".
Lynch unterbrach den AIG-Chef daraufhin mitten im Satz und vor laufenden TV-Kameras mit den Worten: "Dann sage ich Ihnen etwas: Ich wollte Sie auch verletzen, denn genau das gebührt Ihnen." Liddy selbst arbeitet bei AIG für den symbolischen Gehalt von einem Dollar pro Jahr.
Kehrtwende aus Eigeninteresse
Dass die US-Regierung mittlerweile gegensteuert, beruht wohl nicht auf Einsicht oder Sorge um die Manager und deren Familien. Vielmehr passt es dem Weißen Haus seit Montag besser in den Kram, wenn die Finanzbranche nicht in allzu schlechtem Licht dasteht.
Die neuen Pläne zur Rettung der US-Finanzbranche können nur funktionieren, wenn sich private Investoren finden, die die angeschlagenen Konzerne aus dem Dreck ziehen. Selbst wohlmeinende Kommentatoren sprechen schon von einer "peinlichen Pirouette" Obamas.
orf,
http://orf.at/090325-36520/?href=http%3A%2F%2Forf.at%2F090325-36520%2F36479txt_story.html
-ribisl- - 4. Apr, 08:51